Stille – Meditation von Karin Gerhard

Diese Kontemplation (Stille-Meditation) ist für Euch zum alltäglichen Üben gedacht.

Regelmäßig geübt kann sie in diesen Pandemie-Zeiten (aber auch immer) hilfreich sein, sich nicht zu sehr von Sorgen, Ängsten und Grübeleien bestimmen zu lassen, sondern Offenheit, Geduld und Vertrauen zu bewahren.

Es braucht nur einmal am Tag  (oder zweimal, wenns geht) einen ruhigen Rückzugs-Ort , 15-20 Minuten sind gut. (kann auch nachts sein oder morgens ganz früh)

Wenn tägliches Üben nicht möglich ist –  ab und zu ist auch wirksam.

Stille – Meditation:

  • Aufgerichtet sitzen und sich spüren:

Kontakt der Füße zur Erde, aufgerichtet von den Sitzbeinhöckern bis zum Kopf und darüber hinaus, sich ganz spüren ausgespannt zwischen Erde und Himmel.

Sich sammeln und ruhen im Beckenzentrum. In der Mitte.

  • nach innen spüren zum Atem:

die Atembewegung mit dem Bewusstsein begleiten und spüren, dass der Atem von selbst geschieht : Der Atem kommt, der Atem geht und wir warten ( in der Pause nach dem Ausatmen) bis er von selber wiederkommt . Die Atembewegung und Atemruhe besonders im Beckenraum wahrnehmen: Grundrhythmus des Lebens

  • spüren nach innen und nach aussen:

nach Innen spüren und dann über die Haut  in den Aussenraum spüren, in alle Richtungen  die Weite des Raumes wahrnehmen , sich selbst in den Raum hinein öffnen und weiten. Verbunden bleiben mit dem Innenraum und dem Atem

  • auf die Stille horchen

in den Raum hinein auf die Stille horchen, sie spüren, dabei der Weite, der Offenheit und dem Atem verbunden bleiben. Gegenwärtig bleiben in jedem Atemzug.

  • Die „Stille hinter der Stille“ erspüren

Alle Zustände, alle Gedanken, Empfindungen, Fragen…, die in der Stille auftauchen, wahrnehmen, sich aber nicht dabei aufhalten und darüber nachdenken oder bewerten oder Ähnliches, sondern durch die Gedanken hindurch die dahinterliegende Stille wahrnehmen und ihr die ganze Wachheit und Zuwendung geben.  Mit jedem Atemzug immer wieder neu. („Anfängergeist“) Die Stille ist stärker als unsere Gedankenwelt.

Wir begleiten die Stille der Meditation mit der Vorstellung , uns  in jedem Atemzug der Gegenwart Gottes /des Göttlichen zu öffnen: „Du bist der Atem meines Atems“

Atem, Offenheit, Weite und Stille lassen sich  nicht auf irgendeine Weise herstellen, sondern sie brauchen  die innere Einstellung des loslassens und zulassens, damit sie geschehen können. Das Einzige , was wir während der Meditation tun ist darauf zu achten, dass wir offen,wach und präsent bleiben in jedem Moment, in jedem Atemzug. Und immer zu dieser Wachheit zurückkehren , wenn uns z.B., Gedanken, Empfindungen oder irgendwelche Zustände davontragen wollen. Auch Erwartungen, bestimmten Vorstellungen (auch den frommen!) oder Wünschen zuviel  Aufmerksamkeit zu geben, trägt uns aus der Tiefe der Stille hinaus in die Ablenkung auf andere Dinge.

Johannes Tauler( ca.1300 – 1361 ) , Dominikaner,Theologe und Mystiker des Mittelalters  ( kannte Meister Eckhart und Heinrich Seuse, beide Dominikaner und Mystiker) sagt dazu:

„…..Der Mensch lasse die Bilder der Dinge ganz und gar fahren und mache und halte seinen Tempel leer. Denn wäre der Tempel entleert und wären die Phantasien, die den Tempel besetzt halten , draussen, so könntest du ein Gotteshaus werden und nicht eher, was du auch tust. Und so hättest du den Frieden deines Herzens und Freude….“

In der Stille – Meditation geht es also um das hineinkommen in die Leere.  Das wird oft missverstanden. Gemeint ist hier nicht die innere Leere, die Angst auslöst, weil wir in ihr Unlebendigkeit, Sinnlosigkeit oder Einsamkeit erfahren. Es ist vielmehr die Leere, die als Fülle oder Erfüllt-sein erlebt wird, weil sie frei ist von manchen Ego-Verwicklungen und Luft gibt für den heiligen Raum, in dem Gott in uns wohnt, dem Raum der Lebensfülle, der Liebe, der Inspiration und Tatkraft.

Karin Gerhard