Studienreise der Gemeinde nach Prag

Prag – die „Goldene Stadt“. Die Stadt an der Moldau. Die Stadt der vielen Straßenbahnen, reich an Geschichte und urigen Bierstuben. Und die Stadt von Jan Hus, dem protestantischen Reformator. Auf seinen Spuren wollte eine Gruppe unserer Gemeinde wandeln, und ein wenig auch auf den Spuren unseres Pfarrers Wolfgang Blöcker, der Prag seit vielen Jahren seine Lieblingsstadt nennt. Seine Erzählungen hatten viele neugierig gemacht – so war die Idee für eine „Studienreise“ geboren.

Viele Wege führen nach Prag – das nahm die Gruppe wörtlich und reiste mit zwei Kleinbussen (18 Personen), dem Flugzeug (Kerstin und Thomas), dem Auto (Susanne) und dem Nachtzug (Lea, Betty und Henrike) an. In Prag hatten wir einen Großteil der Zimmer sowie ein Apartment (als großen Aufenthaltsraum mit Terrasse für alle) im schönen Hotel Askania gebucht, nur ein paar Minuten von einer günstig gelegenen Straßenbahnhaltestelle entfernt. Am Nachmittag unserer Ankunft – Fronleichnam – ging’s direkt zu einem ersten Stadtrundgang.

Das Zentrum der tschechischen Hauptstadt wird von vier Stadtteilen geprägt: der Altstadt (Staré Město), der Neustadt (Nové Město), der Kleinseite (Malá Strana) und dem Hradschin (Hradčany). Wir starteten am Platz der Republik, dem Übergang von der Neustadt zur Altstadt. Vorbei am Gemeindehaus im Jugendstil führte unser Weg unter dem Pulverturm durch die Zeltnergasse (Celetná) bis zum Altstädter Ring, dem prachtvollen Platz der Altstadt. Hier hängt die berühmte astronomische Uhr am Altstädter Rathaus. Die schmale Karlsgasse (Karlova) schlängelt sich, gesäumt von vielen kleinen Geschäften, bis zum Moldau-Ufer mit dem Altstädter Brückenturm. Über die Karlsbrücke mit ihren 30 Statuen ging es hinüber zur Kleinseite und dem Kleinseitner Ring mit der barocken Nikolauskirche. Zum Abendessen nahmen wir an einem langen Tisch im Biergarten „Na Květnici“ Platz, genossen Fleisch mit Knödeln und leckerem tschechischen Bier.

Am nächsten Morgen wartete Ivo Janoušek (Foto) an der Kirche St. Martin in der Mauer auf uns. Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert war zeitweise Teil der Prager Stadtmauer, daher ihr Name. Sie wird von der Ev. Kirche der Böhmischen Brüder und der deutschsprachigen ev. Gemeinde Prag genutzt. Ivo Janoušek erzählte uns im schlichten Kirchraum von Jan Hus (1369-1415). Nach dem tschechischen Reformator wurde die Bewegung der Hussiten benannt. In der Martinskirche feierte man im Jahr 1414 – vor genau 600 Jahren – das Abendmahl in beiderlei Gestalt, d.h. auch Laien durften aus dem Abendmahlskelch trinken. Die Pfarrer hatten sich früh der Böhmischen Reformation angeschlossen.

Unweit steht die Bethlehemskapelle, in die uns Ivo Janoušek anschließend führte. Das Gebäude ist deswegen besonders, weil die Kanzel und damit die Predigt im Mittelpunkt steht, nicht der Altar. Hier predigte Jan Hus und kritisierte die Missstände der Kirche. Die Repliken der Malereien an den Wänden zeigen diese Kritik ebenfalls. Die kompetente Führung endete an der Nikolauskirche am Altstädter Ring. Nach einer Mittagspause führte uns Wolfgang durch das jüdische Viertel (Josefov). Weil es sehr heruntergekommen war, wurde es zwischen 1893 und 1913 komplett neu erbaut, viele beeindruckende Jugendstil-Häuser und teure Geschäfte prägen heute die Pařišska, die Pariser Straße. Wir besichtigten die Pinkas-Synagoge – eine Gedenkstätte der ermordeten Juden im Protektorat Böhmen und Mähren – und den alten jüdischen Friedhof. Insgesamt sechs Synagogen sind in Josefov noch erhalten. Eine Pause im stilvollen Café Rudolfinum schloss den Rundgang ab.

Am Abend teilte sich die Gruppe auf. Einige sahen sich eine Vorstellung im Schwarzlichttheater „Image“ an, andere gingen in die „Laterna Magica“, wiederum andere genossen das Prager Bier im Bierlokal „U Fleku“. Im Café Slavia saßen manche noch bis spät am Abend, mit Blick auf die Moldau und den nächtlich angestrahlten Hradschin.

Am Samstagmorgen führte uns der Weg auf die Kleinseite mit der Kampa-Insel. Auch hier überraschten uns Wolfgang und Susanne wieder mit interessanten historischen Fakten und Legenden, etwa zum Prager Jesulein, einer Wachsfigur aus der Renaissance in der Kirche Maria zum Siege. Über die touristische Nerudova ging es hinauf zur Prager Burg, von wo wir einen herrlichen Ausblick auf die Stadt hatten. Nach einem gemeinsamen Foto teilte sich die Gruppe wieder auf und schwärmte auf dem Burgberg aus, zum Beispiel in die St.-Veits-Kathedrale oder ins Künstlerviertel. Der Nachmittag stand zur freien Verfügung und viele nutzten dies, um sich in den Straßen der Altstadt treiben zu lassen, den Rathausturm zu besteigen und Souvenirs zu kaufen. Treffpunkt für einige war das einzige kubistische Café der Welt, das Grand Café Orient, in der Zeltnergasse. Abends gab es ein geselliges Beisammensein bei Käse und Wein hoch über Prag, an der Mittelstation einer Standseilbahn.

Am nächsten Morgen besuchten wir früh den Gottesdienst in der ev. Kirche St. Martin in der Mauer. Chorleiterin Imke hatte zuvor geduldig mit der ganzen Gruppe zwei vierstimmige Chorstücke einstudiert und geübt – obwohl ein Großteil der Gruppe gar nicht im Kirchenchor singt. Unser Auftritt gelang wunderbar, auch das deutsche Pfarrer-Ehepaar Frank Leßmann-Pfeifer und Andrea Pfeifer, das hier seit sechs Jahren lebt, war ganz angetan. Es war ein ungewöhnliches Gefühl, mitten in Prag bekannte deutsche Kirchenlieder aus dem (bayerischen) Gesangbuch zu singen. Nach dem Gottesdienst gab es gute Gespräche bei Kaffee und Plätzchen, ganz ähnlich wie bei uns in der Gemeinde. Unweit der Kirche kehrten wir zum Mittagessen in die Bierstube „U Medvídků“ (Zum Bären) ein. Hier gab es nicht nur ein leckeres Essen, sondern auch Worte des Dankes und Geschenke an die perfekten Organisatoren Wolfgang und Susanne, Chorleiterin Imke und die vier Busfahrer. Am Nachmittag starteten wir mit den Bussen wieder vom Hotel Richtung Essen, wo wir nach einer ungewöhnlich schnellen, staufreien Fahrt gegen 23 Uhr eintrafen.

Katrin Martens

P.S.: Hier folgt noch ein interessanter Link mit einem Radiobeitrag über St. Martin in der Mauer: